ISA Innovationsverband Schweizer Arbeitsmarkt

Innovation im Schweizer Arbeitsmarkt

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Der HSLU AI Job-Report 2025 unter der Lupe

Martina und Sam haben sich den aktuellen HSLU Job Report 2025 zum Thema AI genauer angeschaut und stellen fest, dass er interessant ist, aber die Datenbasis zu wenig gut ist um wirklich spannende Aussagen zu machen. Im Vergleich zu anderen Reports aus der EU wird bei diesem Report ausschliesslich die Datenbasis von X28 herangezogen, was einem Bruchteil des aktuellen Arbeitsmarkts entspricht.

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Chapter 1

Gut gemeint, aber bildet nur einen Teil der Realität ab

Martina neu

Hallo zusammen und herzlich willkommen zu einer neuen Folge von „Innovation im Schweizer Arbeitsmarkt“! Ich bin wieder mit Eric am Start – schön, dass du da bist! Heute schnappen wir uns mal den brandaktuellen HSLU AI Jobs Report 2025. Eric, du hast das Ding ja fast schon verschlungen, oder?

Sam

Ja, absolut, und äh – es war, hmmm, interessant, sagen wir mal so. Also, die Hochschule Luzern legt ihren Fokus ganz klassisch auf offene Jobinserate – alles, was zwischen Juli 2024 und Juni 2025 auf x28 gelaufen ist. Das klingt erstmal nach viel, aber – und das ist ein ziemlich großes „aber“ – das Bild ist dadurch eben maximal... rückblickend und vor allem unvollständig. Wir schauen ja wirklich nur den formal ausgeschriebenen, sichtbaren Markt an und sämtliche inoffizielle Wege oder interne Wechsel, die rauschen unter dem Radar durch.

Martina neu

Ja, genau! Und im Grunde sagt der Bericht gar nichts aus über die vielen spannenden Sachen, die sonst im Arbeitsmarkt ausserhalb der publizierten Jobinserate eben passieren. Also ich erinnere mich noch gut an diese EU-Studie – die habe ich für Episode 5 durchgeackert – und die zeigt ja ganz deutlich, wie sehr sich der Arbeitsmarkt Richtung Digitalisierung und Plattform-Arbeit verschiebt. Da wird remote gearbeitet, Projekte laufen über Plattformen, Leute machen sich selbstständig – und all das bleibt im HSLU-Report komplett außen vor, weil er sich eben nur auf Jobinserate abstützt. Der Report bezieht sich einfach null auf diese Dynamik, die wir nicht nur im europäischen Raum sondern auch immer mehr hier in der Schweiz haben.

Sam

Und trotzdem behandeln dann alle, naja, fast alle, diesen Report so ein bisschen als Zukunftsorakel. Was uns überrascht und ehrlicherweise ja wenig Sinn macht. Ich kann mich noch erinnern, das ist schon ne Weile her, aber ich hab damals Berichte gesehen, die behauptet haben, WAP, das war das erste Internet für Mobilephones, wird der nächste große technologische Standard. Ich glaube, das hat... keine drei Jahre gehalten, bevor HTML und Browserlösungen auf dem ersten HTC Mobile möglich wurden. Wo will ich damit hin? Wenn man aus reiner Rückschau und mit einer beschränkten Sicht Prognosen ableitet, läuft man halt Gefahr, den nächsten Sprung komplett zu verpassen.

Martina neu

Das kennt man ja. So ein Report kann helfen, den Stand zu dokumentieren, aber wir dürfen nicht den Fehler machen und daraus allgemeingültige Trends für die kommenden Jahre ableiten. Gerade, weil so viel „unter dem Radar“ läuft! Die eigentliche Innovation passiert aus EU-Sicht und, ehrlich gesagt, auch in der Schweiz, viel verdeckter und dezentraler. Zwei Beispiele: viele Senior Professionals arbeiten zunehmend im Rahmen einer Portfolio Karriere für Unternehmen: sie nehmen Mandate an und begleiten Projekte im Rahmen von Teilzeitstellen oder Freelance Positionen. Diese Positionen werden nie ausgeschrieben und tauchen deshalb auch nicht im Report auf. Und dann ist es so, dass genau diese externen Fachkräfte oft einen viel einfacheren Zugang zu den neuen Technologien haben, weil sie ausserhalb der Unternehmens IT leichter damit arbeiten können.

Sam

Absolut. Für die Politik hat das riesige Auswirkungen. Wenn wir nur auf Stelleninserate gucken, unterschätzen wir die Geschwindigkeit von Digitalisierung, und wir greifen komplett daneben, was Weiterbildungs- und Qualifizierungsinitiativen angeht. Und die Politiker sehen auch nicht die echten Zahlen. Tatsächlich werden in vielen Bereichen neue Stellen geschaffen. Weil sich aber die Bewerbungen mit AI Tools so leicht machen lassen, werden diese Unternehmen im Rekrutierungsprozess mit hunderten von Bewerbungen überschwemmt. Das führt dazu, dass viele nur noch über den verdeckten und informellen Arbeitsmarkt rekrutierten.

Chapter 2

Was übersieht der Bericht denn genau?

Martina neu

Genau, und dieses „Danebengreifen“ wird besonders deutlich, wenn man schaut, wie selektiv der Datensatz eigentlich ist. Also, x28 ist super für das Monitoring offizieller Jobinserate, aber das ist halt, sagen wir mal, höchstens die Spitze des Eisbergs. Im Bericht werden keine informellen Jobs, keine Plattformarbeit, keine Selbstständigkeit und keine internen Stellenwechsel abgebildet. Gerade diese „informellen Kanäle“ sind aber in den letzten Jahren total explodiert.

Sam

Ja, und das steht auch so ähnlich im IPOL-Report, also der breiteren EU-Studie. Die sagt ganz klar: Digitalisierung und flexible Arbeitsformen, wie Mikro-Services oder algorithmusgesteuerte Gig-Plattformen, finden immer öfter jenseits des offiziellen Arbeitsmarkt-Radars statt. Es gibt da wirklich eine Menge Dynamik, die nie in klassischen Ausschreibungen landet – und das Bild, das wir bekommen, wenn wir nur auf offene Inserate schauen, ist, naja, lückenhaft, vorsichtig gesagt.

Martina neu

In der Praxis bedeutet das, dass riesige Teile des „echten“ Arbeitsmarkts gar nicht auftauchen – gerade für Menschen, die sich beruflich neu erfinden. Ich hab neulich mit jemandem gesprochen, die nach einer längeren Karriere im Tech-Consulting gemerkt hat, dass sie so keinen klassischen „Job“ mehr findet. Also, was hat sie gemacht? Sie hat sich über Plattformen selbstständig gemacht, kleine Projekte akquiriert, ist ins digitale Coaching eingestiegen. Dieses ganze Umschwenken, das taucht eben in keiner x28-Statistik auf! Und das deckt sich ja auch stark mit den Insights von Deloitte: Viele erfahrene, gerade ältere Schweizerinnen und Schweizer bauen sich Nebeneinkommen mit einer Portfolio Karriere auf oder machen sich als Freelancer selbstständig, anstatt auf eine klassische Festanstellung zu hoffen.

Sam

Stimmt, das passt was Du sagst passt wirklich gut zu den Findings aus dem letzten Deloitte-Bericht, da gibt’s ein ganzes Kapitel zu neuen Karrierewegen für ältere Arbeitnehmende und zu dem Thema: „Self-Employment als Resilienzstrategie“. Und da steht ja auch drin – und das wird in all diesen Jobposting-Reports nie sichtbar – dass dieses Segment meist überlebt, indem es auf Skills setzt, die eben nicht per Inserat abgefragt werden, sondern ganz informell – Netzwerk, digitale Plattformkenntnisse, ein bisschen Unternehmergeist. Was diesen Senior Professionals oft fehlt, ist das Knowhow sich selbst im verdeckten Arbeitsmarkt gut zu positionieren.

Martina neu

Genau! Gerade die, die in Tech umschulen oder in Branchen wechseln, finden nicht über ausgeschriebene Jobs den Einstieg, sondern durch Netzwerk, kleine Aufträge, vielleicht im ersten Schritt mit mehreren parallelen Engagements. Wir sehen immer wieder, dass vor allem die Erfahrung wichtig ist - das ist das was ein Student, der firsch ab der Uni kommt nicht bieten kann. Ich bin sicher, dass diese Bewegung im Arbeitsmarkt, dass sich Senior Professionals über Portfoliokarrieren ihr überleben sichern, volkswirtschaftlich total relevant werden wird! Und sorry, für die Zukunft der Arbeit ist ja gerade DAS die große Baustelle in der Schweiz: Wie aktivieren wir diese versteckten Potenziale?

Sam

Martina, Du hast Recht, das zeigt nochmal: Allein mit Abgleichen von offenen Jobanzeigen kommen wir bei der Bewertung der Schweizer Innovationskraft und Arbeitsmarktdynamik nicht weiter. Da bleibt zu viel Innovation im Schatten.

Chapter 3

Was braucht es denn jetzt wirklich im Arbeitsmarkt?

Sam

So, und jetzt kommt der wirklich brisante Teil: Die HSLU behauptet ja im Report, dass reines Programmieren – so klassisches Coding – mittelfristig nicht mehr der zentrale Skill sei, der gebraucht wird. Das sei „kein echter Engpass“ in Zukunft. Aber – und da zieh ich jetzt mal die Studien aus dem IPOL- und Deloitte-Kontext ran – die finden so eine Aussage schon ziemlich gewagt.

Martina neu

Ich weiß genau, was du meinst. Denn die EU-Studien und auch Deloitte sagen ja: Es reicht halt nicht mehr, nur auf den Begriff „Programmieren“ zu schauen. Es geht viel mehr um die Kombination aus digitalen, kognitiven und menschlich-unternehmerischen Fähigkeiten. Also ja, Coden kann man sich immer noch aneignen, aber das, was wirklich wichtig wird – das ist, flexibel zu bleiben, sich immer wieder neues Wissen anzueignen, quer zu denken und in Teams zu arbeiten, oft auch unternehmerisch zu handeln. Das Beispiel heute ist Vibe Coding: es reicht eben nicht, wenn man das Prinzip von Vibe Coding kennt - einen Text formulieren, aus dem dann die AI eine App baut ist für sich genommen eben auch wieder eine Programmiersprache mit ihren Eigenheiten. Und am Schluss braucht es genau dieses Fachwissen, das aufzeigt, wie man effizient und kostengünstig diese neue App bauen kann. Ich gebe der HSLU Studie insofern Recht, dass die Eintrittshürde jetzt deutlich kleiner ist - aber irrelevant wird Programmieren in einer digitalen Welt wohl nie.

Sam

Genau. Aus dem HSLU-Bericht kann man auch rauslesen, dass Soft Skills wie Kommunikation, Adaptivität und Problemlösekompetenz mittlerweile in fast sämtlichen Rollen im Vordergrund stehen, das ist richtig. Aber als Empfehlung, jetzt gar nicht mehr in Programmierausbildung zu investieren, wäre das natürlich Quatsch. Die anderen Quellen machen das sehr deutlich: Tech- und Digital-Kompetenz ist die Basis, aber darüber hinaus braucht es breit aufgestellte, lernbereite Leute – und die klassischen Arbeitsmarkt-Daten aus Stellenausschreibungen unterschätzen diese Schiebungen total. Ich würde den Skillbedarf so beschreiben: damit ein Schweizer Unternehmen erfolgreich AI Projekte umsetzen kann, braucht es Mitarbeiter die in erster Linie das eigene Geschäft und die eigene Industrie sehr gut verstehen. Dann braucht es Spezialisten, die die bestehenden Prozesse sauber dokumentieren und aufzeichnen können - und dann sollten die gleichen Spezialisten auch in der Lage sein, eine AI Lösung so zu instruieren, dass daraus eine gute Automatisierung entsteht. Ich denke, das grösste Hindernis liegt für diesen Blueprint nicht in der Technologie, sondern bei den geeigneten Mitarbeitern.

Martina neu

Das ist ein guter Punkt. Ich habe eine Freundin, die nach dem Studium in den Bereich KI-Beratung gewechselt ist – sie war nie die Hardcore-Programmiererin! Ihre eigentlichen Stärken: Kommunikation, Dateninterpretation, Projekte strukturieren und zwischen Kunden und Entwicklung vermitteln. Sie hat jetzt durch gezielte digitale Weiterbildungen, aber eben nicht durch tiefes Coding, den Sprung in eine super spannende Nische geschafft. Ihr grösstes Problem war, das Branchenfachwissen zu bekommen. Hier stossen wir übrigens an ein neues Phenomen: die Einstiegsjobs verschwinden aktuell auf dem Arbeitsmarkt. Sie hatte Glück: Ein breites digitales Skillset, offene Haltung und Netzwerken – und vor allem den Mut, sich regelmäßig neu zu erfinden haben ihr stark geholfen.

Sam

Das ist es halt – die wahren „Future Skills“ entstehen da, wo die Leute bereit sind, lebenslang weiterzulernen, sich an neue Tech-Stacks, neue Rollen und neue Geschäftsmodelle anzupassen. Und sowohl die EU-Analyse als auch Deloitte sagen ja: Die Arbeitswelt wird so volatil, dass wir mit klassischen Ausbildungs- versus Jobprofil-Logik einfach nicht mehr alles fassen können. Analysen, die ausschließlich auf ausgeschriebenen Stellen basieren, können das niemals abdecken.

Martina neu

Tja. und wie hätte es denn der HSLU Report besser machen können? Gibt es überhaupt Datenquellen, die hier weiterhelfen könnten? Ich habe in diesem Zusammenhang mit den Arbeitsmarktspezialisten von Deloitte gesprochen. Tatsächlich gibt es sehr wenig Möglichkeiten. Eine sicherlich sinnvolle Weiterentwicklung wäre es, die AHV Zahlen besser zu integrieren: jeder neue Job wird dort zwangsläufig gemeldet - unabhängig wie er ausgeschrieben oder vermittelt wurde. Und eine weitere Möglichkeit wären die effektiven Nutzungsdaten von Microsoft besser anzuschauen - wo und wie wird der CoPilot von Microsoft tatsächlich eingesetzt. Ich bin sicher, auch OpenAI und Antrophic haben vergleichbare Zahlen aus dem B2B Bereich. Ich denke, wir müssen die Statistiken in der Schweiz generell realistischer aufbauen, wenn wir die kommenden Jahre nicht blind navigieren wollen.

Sam

Das ist ein sehr guter Punkt Martina. Für die Stellensuchenden bedeutet das: Nicht in der alten Entweder-Oder-Welt verharren. Die Schweiz wird in Sachen Arbeitsmarkt nur dann resilient bleiben, wenn wir offen bleiben für neue Gedanken und flexible Modelle und Talente flexibel aktivieren und die Lust am lebenslangen Lernen fördern. Vielleicht ist das statistisch nicht immer direkt sichtbar – aber am Ende ist das die echte Innovation im Schweizer Arbeitsmarkt.Und das bringt uns zum perfekten Abschluss, finde ich. Martina – war mal wieder ein spannender Ritt heute!

Martina neu

Total, Eric! Und für alle, die jetzt Lust bekommen haben, noch tiefer einzusteigen – wir machen natürlich weiter mit spannenden Perspektiven. Habt ihr Fragen oder eigene Geschichten zum Thema? Dann meldet euch gerne! Danke, dass ihr dabei wart, bleibt neugierig – bis zur nächsten Folge! Mach’s gut, Eric!

Sam

Tschüss zusammen, danke Martina – und bis bald!